Aug 18, 2022
Aktivistisch unterwegs im September und Oktober – sehen wir uns?
by Lydia | Allgemein | 0Comments
Für Aktivismus sind zwei Dinge unerlässlich: Vernetzung und Wissen.
Deshalb habe ich mich riesig gefreut, dass es in diesem Jahr vom 15. bis 17. September wieder eine Sexworker UnConference in Berlin geben wird. Diese war 2021 schon sehr erfolgreich, aber leider konnte ich nicht teilnehmen.
Eine UnConference ist im Gegensatz zu einer Konferenz ein eher politisches Event und wird nicht von außen organisiert, sondern von den Teilnehmer*innen selbst. Diese sind aufgerufen, zu ihren Themen und entsprechend ihrer Expertise Vorträge und Workshops zu halten oder mit Performances aufzutreten. Die UNConference ist ausschließlich für, von und über die Themen von Sexarbeiter*innen. Außerdem wird es in diesem Jahr einen Ally Day geben, an dem zum ersten Mal auch Verbündete teilnehmen können, die nicht selbst in der Sexarbeit tätig sind. Während der anschließenden beiden Konferenztage bleiben wir Sexarbeiter*innen unter uns.
Eine weitere Neuerung, die in diesem Jahr eingeführt wurde, sind die Soli-Tickets für Sexarbeits-Kolleg*innen, die nicht genug Ressourcen haben, um an einem solchen Event teilzunehmen (die beispielsweise die Fahrt- und Übernachtungskosten nicht aufbringen können und sich auch kein Ticket der günstigsten Kategorie leisten können). Die Veranstaltung sollte für möglichst verschiedene Sexarbeiter*innen zugänglich sein – ganz besonders für diejenigen, die häufig nicht sichtbar sind, weil sie mehrfacher Stigmatisierung und Diskriminierung ausgesetzt sind. Ich finde den Ansatz der UNConference großartig, eine Community und Bewegung schaffen zu wollen, die für ALLE Sexarbeiter*innen da ist und deshalb die Idee mit den Soli-Tickets großartig! Soli-Tickets können hier erworben werden.
Wer selbst teilnehmen möchte, zum Beispiel am Ally Day, muss zusätzlich noch ein eigenes Ticket kaufen bzw. die Veranstalter*innen kontaktieren, um die Bedingungen dafür zu erfahren. Ich selbst werde auf jeden Fall an allen Tagen dort sein und freue mich, endlich wieder ein großes Treffen unter Sexarbeiter*innen zu erleben, zu Netzwerken und Wissen zu teilen!
Im Oktober (14./15.10.) geht es dann direkt weiter bei der der Fachtagung SAMBA in Mainz. Die Buchstaben stehen für „SexualAssistenz und den Männlichen Blick als Aspekte von Sexarbeit“.
Mich persönlich interessiert dabei hauptsächlich der Teil zum männlichen Blick als Aspekte von Sexarbeit, womit vor Allem die Kundenperspektive gemeint ist. Es wird um Studien zu und Begegnungen mit Kunden gehen. Meiner Meinung nach, wird darüber nämlich noch viel zu wenig gesprochen, obwohl auch die Kunden (Männer) einer extremen Stigmatisierung ausgesetzt sind. Sie werden entweder als arme Würstchen dargestellt, die sexuelle Dienstleistungen in Anspruch nehmen, weil sie sonst keine Sexualpartner*innen finden oder als Gewalttäter, die auf Konsens pfeifen und denen die gesetzten Grenzen der Sexarbeiter*innen egal sind oder auch als Opfer ihrer sexuellen Triebe. Gegen diese Vorurteile hilft wie überall nur Forschung und Kommunikation. Ich bin schon total gespannt, was es dazu bei der Tagung geben wird.
Das Thema Sexualassistenz finde ich allerdings auch sehr interessant, auch wenn ich mir für mich nicht vorstellen kann, diese anzubieten. Sexualität ist ein Grundbedürfnis aller Menschen und ich finde es sehr wichtig, dass diese auch Personen mit Behinderungen nicht abgesprochen wird. Zur Zeit taucht das Thema immer häufiger in den Medien auf, aber auch hier gibt es noch viel zu viel Halbwissen und es wird viel zu selten mit den betroffenen Menschen selbst darüber geredet. Ein Blick auf das bisherige Programm zeigt breit gefächerte Vorträge und Workshops, wobei die Personen, die Sexualassistenz in Anspruch nehmen, genauso zu Wort kommen, wie die Anbieter*innen.
Der Weg nach Mainz ist von Leipzig aus zwar recht weit, mir jedoch absolut wert. Vielleicht kann ich sogar noch ein paar Kolleg*innen motivieren, mich zu begleiten, so dass ich nicht allein im Zug sitze.
Außerdem würde ich mich sehr freuen, bei einer oder beiden Veranstaltungen Leser*innen dieses Blogs zu treffen. Wenn es sonst in der Öffentlichkeit ein absolutes NoGo ist, eine Sexarbeiter*in einfach anzusprechen: bei solchen Veranstaltungen sind Menschen, die mich erkennen, herzlich eingeladen, mit mir zu reden, statt über mich!