Die Erfahrungen der vergangenen Tage hinsichtlich der fehlenden Barrierefreiheit in Mailand ließen in mir eine gewisse Nervosität aufkommen, wenn ich an unsere Rückreise dachte.
In der letzten Nacht schlief ich entsprechend unruhig. Ich versuchte noch, herauszufinden, ob an dem U-Bahnhof, von welchem aus wir zum Bahnhof fahren mussten, wenigstens an einem der Eingänge ein Aufzug vorhanden war. Jeder von uns hatte einen großen Koffer dabei und es würde schwierig werden, damit zu zweit aneinanderhängend die Stufen hinunterzugehen. Außerdem fürchtete ich die Enge der Gehwege mit den vielen Dingen, die dort mitten in den Weg fest verbaut oder abgestellt waren (Laternen, Müllbehälter, Freisitze, Roller, …). Hinzu dachte ich mir noch die vielen Fußgänger, die häufig nur mit sich selbst beschäftigt waren und nichts um sich herum mitbekamen.
Aber: wir gelangten dann doch recht problemlos zum Bahnhof. Es war noch früh am Tag und es regnete leicht, so dass wenig Menschen unterwegs waren. Einen Aufzug gab es auch direkt an dem Eingang, an dem wir bei der U-Bahn-Station ankamen und wir erwischten sogar eine frühere Bahn. Am Hauptbahnhof in Mailand angekommen, freuten wir uns, dass wir ganz entspannt nach dem Gleis suchen konnten, von welchem wir mit dem Flughafenexpress in mehr als 20 Minuten abfahren würden.
Schnell fand ich eine große Anzeigentafel und ahnte Schlimmes, als ich dort bei sämtlichen Verbindungen mit dem Flughafenexpress das Wort „cancellato“ las. Die Anzeigetafel zeigte ausschließlich italienisch an und, obwohl ich es ahnte, tippte ich das Wort in mein Handy ein, um es zu übersetzen. Damit bestätigte sich die Befürchtung, dass wir an diesem Tag mit keinem der Flughafen-Express-Züge zum Flughafen kommen würden. In der obersten Zeile der Anzeigentafel wurde ein Text angezeigt mit irgendwelchen Nummern und möglicherweise Informationen hinsichtlich einer Ersatzverbindung. Ich betone nochmals: wir befanden uns am Hauptbahnhof einer internationalen Mode-Metropole und wichtige Informationen wurden nirgends ins Englische übersetzt.
Okay: jetzt hieß es Ruhe bewahren und schauen, wo wir Infos herbekommen. Schließlich wollten wir ein Flugzeug erreichen. Wir begaben uns auf die Suche nach einem Infoschalter oder einer Person, die am Bahnhof arbeitete. Weit und breit war nichts dergleichen zu finden. Draußen regnete es mittlerweile in Strömen und wir irrten – nun schon etwas unter Zeitdruck – mit unseren Koffern im Schlepptau auf diesem riesigen Bahnhof umher. Es gibt zahllose Geschäfte zum Shoppen auf diesem Bahnhof, aber keinen einzigen Infoschalter! Mit wenig Hoffnung ging ich in einen Handyladen und fragte, ob dort Englisch gesprochen wird. Glücklicherweise konnte ich mich mit einem jungen Mitarbeiter verständigen, allerdings teilte der mir mit, dass es kein Servicebüro oder Ähnliches gibt. Meine Nachfrage, dass wir uns schon hier am Hauptbahnhof dieser großen Stadt befinden, beantworte er mit Schulterzucken und so viel wie „Ja, ich weiß. Das ist großer Mist.“ Er erklärte mir, dass draußen auch Busse fahren müssten als Ersatz für den Zug, aber er wüsste nicht, wo genau und wie lange die fahren würden. Alles klar, nun wussten wir immerhin, dass wir nicht weiter nach Informationen suchen brauchten.
Wir beschlossen, draußen nach Bussen zu schauen. Auf dem Weg zum Ausgang dachten wir auch laut über eine Taxifahrt nach. Tim hatte irgendwo gelesen, dass eine Fahrt über 200 Euro kosten würde und, abgesehen davon, dass das richtig viel Geld ist, hatte er so viel Bares nicht mehr dabei. Was das anging, konnte ich ihn beruhigen, weil ich sicher war, dass alle Taxifahrer*innen heutzutage ein Kartenlesegerät dabei hatten. Draußen im nach wie vor strömenden Regen liefen wir auf etwas zu, was weit entfernt wie ein Reisebus aussah. Da sagte Tim kurzentschlossen: „Komm, wir nehmen ein Taxi. Mit dem Bus – selbst, wenn das da hinten der richtige ist – sind wir wahrscheinlich viel zu langsam und kommen zu spät.“ Seine Aussage erleichterte mich und wir fragten die erste Taxifahrerin, die am Eingang auf Fahrgäste wartete, ob die Zahlung mit Kreditkarte möglich wäre. Sie bejahte und lud fix unsere Koffer ein.
Auf der 45-minütigen Fahrt recherchierte ich nach den Preisen für eine solche Taxifahrt und fand heraus, dass diese maximal etwas über 100 Euro betrugen. Auch nicht günstig, aber eben auch keine 200 Euro. So war es dann auch und wir kamen glücklicherweise pünktlich an. Das war uns eigentlich genug Abenteuer für einen Städtetrip, aber es sollte noch weitergehen …