Wenn ein Lock-Down den nächsten jagt, sollte man sich auf die positiven Aspekte besinnen.
Bei mir ist einer davon: mehr Zeit. Ich habe Zeit und ganz viel Motivation, an spannenden Projekten mitzuwirken und so Menschen zu unterstützen, die sich auf ihre ganz eigene Art und Weise dem Thema Sexwork nähern, ihre Sicht damit in die Welt tragen und neue Blickwinkel eröffnen.
Und so kam es, dass ich neben Interviews, die ich Studierenden für ihre Master- und Bachelorarbeiten gegeben habe (mit tollen Forschungsfragen zum Beispiel nach der Rolle der Gefühlsarbeit in der Sexarbeit), mich Ende letzten Jahres auf einen Aufruf des Fotografen, Tim Oehler, aus Hamburg gemeldet habe. Er bringt im Juni/Juli einen Bildband heraus. Eine Ausstellung ist auch geplant.
Der Titel des Ganzen lautet „Sex-Wokers – Das ganz normale Leben“. Tim portraitiert insgesamt 28 Menschen, die im Bereich der erotischen Dienstleistungen tätig sind. Er stellt deren Arbeits- und Privatalltag bildhaft gegenüber und lässt sie selbst mit eigenen Texten zu Wort kommen mit deren Sicht auf die Sexarbeit und ihrem jeweiligen Selbstverständnis in der sehr diversen Erotik-Branche.
Die Fotos sind besonders und ganz großartig geworden. Einige davon werde ich noch in meine Galerie aufnehmen. Das Shooting mit Tim hat viel Spaß gemacht und war total entspannt. Einen Einblick in das Buch, das Bestellformular sowie viele weitere Informationen gibt es auf der eigens erstellten Homepage: https://www.sex-workers.de/
Kaum hatte ich meinen Text für das Fotobuch fertiggestellt und abgeschickt, kam das nächste interessante Projekt um die Ecke in Form eines Anrufs des STUDIO URBANISTAN. Das „Label für performative Zwischenfälle im urbanen Raum“ hat das Projekt NEXT DOOR entwickelt. Es handelt sich um eine begehbare Audio-Installation zum Thema selbstbestimmte Sexarbeit.
Zunächst haben die Produzent:innen viele Interviews mit Sexarbeiter:innen aus unterschiedlichen Bereichen geführt, um sich dem Thema anzunähern und damit nicht über Sexworker zu sprechen, sondern mit ihnen. Allein mit mir wurden drei solcher Gespräche geführt, welche für uns alle sehr aufschlussreich waren. Jede:r lebt in seiner Blase und so kommt es auch bei mir nicht oft vor, dass ich mich so offen und ausführlich mit Menschen unterhalte, die bisher so wenig Berührung mit der Erotikbranche hatten. Trotzdem habe ich mich zu keinem Zeitpunkt ausgefragt gefühlt. Sehr viel Respekt und Fingerspitzengefühl waren immer mit dabei.
Den Macher:innen war es wichtig, die gesamte Performance mit Sexarbeiter:innen gemeinsam zu entwickeln. Im Verlauf der Interviews, kamen uns noch viele Ideen, wie ich noch intensiver am Projekt mitwirken kann. Mehr kann ich an dieser Stelle nicht verraten, außer, dass die Möglichkeit besteht, mir zu begegnen beim Besuch der Installation.
Wegen der Pandemie mussten die für April geplanten Aufführungen verschoben werden. Als neuer Termin ist nun der Zeitraum 1. bis 8. Juli angedacht. Über die Homepage kann man auf dem Laufenden bleiben: https://www.studiourbanistan.de/projekte-detail/next-door.html
Ich freue mich riesig auf die weitere Zusammenarbeit mit STUDIO URBANISTAN, die bereits im Frühjahr schon sehr intensiv war. In meinen Augen ist hier ein wirklich spannender Einblick in die Branche gelungen, auch wenn er lediglich einen kleinen Ausschnitt zeigen kann. Die Herangehensweise der Produzent:innen ist meiner Meinung nach beispielhaft und inspiriert hoffentlich noch viele weitere kunst- und kulturschaffende Menschen.
Außerdem ist heute, am 2. Juni, Welthurentag – der Tag, an dem allen Sexarbeitenden gedacht wird, die gegen Stigmatisierung und für ihre Rechte kämpfen. Es gibt einige großartige Online- und Live-Aktionen!
In der Juni-Ausgabe des Leipziger Stadtmagazins “Kreuzer” ist außerdem ein hervorragender Artikel, für den ich ebenfalls interviewt wurde, zu lesen.