Eine der ersten Fragen, welche mir gestellt wird, wenn ich erzähle, welcher Tätigkeit ich nachgehe, ist folgende: “Wie bist du eigentlich dazu gekommen?”
Also will ich es euch erzählen:
Es war im Jahr 2004, ich war 23 und musste die Wohnung in einer thüringischen Kleinstadt nach der Trennung von meinem Freund allein finanzieren. Dies gestaltete sich trotz meiner 30-Stunden-Stelle in einer Anwaltskanzlei zunehmend schwierig. Deshalb rief ich mir ins Gedächtnis, was ich ca. 3 Jahre zuvor schonmal im Kopf hatte und suchte im kostenlosen Anzeigenblatt gezielt nach Jobanzeigen von “Begleitagenturen”. Ich fand gleich zwei und rief an. An die eine erinnere ich mich kaum noch, aber ich glaube, die Dame am Telefon war nicht so begeistert davon, dass ich weder Führerschein noch Auto besaß. Das zweite Telefonat war da gleich viel netter, weil eine freundliche Frau sich sofort mit mir verabreden wollte, um mich persönlich kennenzulernen und mir mehr zu erzählen. Gesagt, getan: ich traf ich mich mit ihr und ihrem Ehemann kurze Zeit später auf einen Kaffee beim Bäcker im nahe gelegenen Einkaufszentrum. Sie hieß Anita und war schätzungsweise Mitte 40, er war ein paar Jahre älter und die beiden waren ganz sympathisch. Sie wirkten wie ein ganz normales Ehepaar, das schon eine ganze Weile verheiratet ist. Anita erklärte mir wie es läuft: Ich teile ihr für einen bestimmten Zeitraum, z. B. die kommende Woche, mit, wie ich für sie erreichbar bin und Kundentermine wahrnehmen kann. Sie schaltet Annoncen in kostenlosen Anzeigenblättern und wenn ein Kunde bei ihr anruft, auf den ich passen könnte, ruft sie mich an und teilt mir seine Telefonnummer mit. Danach würde ich den Kunden persönlich anrufen, um mit ihm einen Termin für ein Date zu vereinbaren.
Dass ich keinen Führerschein hatte, war für die beiden kein Problem, denn Anitas Mann würde mich abholen, zum Kunden fahren, dort auf mich warten und auch gleichzeitig für meine Sicherheit sorgen und natürlich auch wieder nach Hause fahren. Das war von den beiden eine schlaue Geschichte, denn: eine Stunde kostete die Herren 140 Euro, von denen ich 90 Euro bekam, der Fahrer (der in ganz wenigen Fällen mal nicht Anitas Ehemann war) bekam für seine Dienste 20 Euro, wodurch dann eine 50 – 50 Teilung entstand.
Für mich klang das trotzdem alles gut und das mit der 50 – 50 Teilung wurde mir erst viel später so richtig bewusst. 70 Euro sind eine Menge Geld und das bei so geringem Aufwand. Außerdem waren die beiden wirklich sympathisch, Anita hatte etwas mütterliches an sich mit ihrer Erfahrung und Ahnung von dem, was sie erzählte. Sie machte den Job ja auch selbst und plauderte immer wieder aus dem Nähkästchen.
Ich schlug also bei Anita ein nach diesem Kaffee-Treffen und ging mit einem guten Gefühl nach Hause.
Es dauerte zwei Wochen, bis der erste Anruf kam. Das war Ende Januar 2004. Ich arbeitete ja noch beim Rechtsanwalt und konnte erst abends Termine wahrnehmen.
Der Termin sollte in Erfurt stattfinden bei einem Herren zu Hause. Anita hatte alles schon klar gemacht und war bei der Fahrt zum Kunden dabei. Das tat irgendwie gut, denn sie beruhigte mich vorher und es tat gut, hinterher jemanden zu haben, dem ich meine soeben gewonnene Erfahrung auf der Heimfahrt berichten konnte.
Und es war eine gute Erfahrung. Der Kunde war ein sehr gepflegter, zuvorkommender Mann in den Vierzigern, der mich mit viel Respekt behandelte. Ich freute mich danach auf mein nächstes Date …